Wie kann die Digitalisierung des öffentlichen Gesundheitsdienstes gelingen?

Die jährlich durchgeführte deutschlandweite Reifegradanalyse der Gesundheitsämter zeigt umfangreiche Baustellen in unserem öffentlichen Gesundheitsdienst – nicht nur bei der technischen Ausstattung, sondern auch in den Prozessen und der Ausbildung. Mit externer Unterstützung wurden nun zahlreiche parallele Vorhaben gestartet. Kann sich die Situation dadurch zeitnah verbessern?

Die Pandemie machte deutlich, dass die durchgängige Digitalisierung der Arbeitsprozesse im öffentlichen Gesundheitswesen zwingend notwendig ist, um spontan ansteigende Fallzahlen abbilden und bewältigen zu können. Und genau deshalb fördert das Bundesgesundheitsministerium die Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD). Zahlreiche Vorhaben auf Länderebene haben sich die nachhaltige Verbesserung der Informations- und Datenverarbeitung sowie der Kommunikation innerhalb und zwischen den Partnern zum Ziel gesetzt (dazu gehören zum Beispiel Gesundheitsämter und die Landesuntersuchungsanstalten).

Doch wie genau kann diese Veränderung gelingen?

Eine erfolgreiche Digitalisierung beginnt stets mit der Veränderung der zugrundeliegenden Prozesse. Die Digitalisierung verändert wesentliche Prämissen dieser Prozesse, zum Beispiel die Art und Weise des Informationsübergangs, die verwendeten Verifizierungs- und Signierungswege sowie die zu erzeugenden Dokumente.

Ein Beispiel aus der Praxis: Durch eine Umstellung auf digitale Systeme wird eine umfangreiche Schulung für alle beteiligten Mitarbeitenden erforderlich. Sie müssen darin geschult werden, die neuen Technologien eigenständig anwenden zu können, und es muss sichergestellt werden, dass die Neuerungen erfolgreich in ihre gelernten Arbeitsabläufe integriert werden. Dabei spielen der Datenschutz und die Datensicherheit eine zentrale Rolle, weil insbesondere Gesundheitsdaten sehr sensibel sind.

Kern der Datenverarbeitung in den Gesundheitsämtern ist eine spezifische, weitgehend zweckgebundene Fachsoftware – teils mit angeschlossenem externen Dateimanagementsystem. Die bundesweit führenden fünf Lösungen sind, analog zu den Informationssystemen im Krankenhausbereich, über Jahrzehnte gewachsen und folgen weitgehend den historisch erprobten Prämissen. Das Problem dabei: Die heutigen Anforderungen in den Bereichen Daten- und Informationssicherheit, Interoperabilität und Prozessführung werden dabei oftmals nicht ausreichend erfüllt. Deshalb steht die Fachsoftware im Fokus der meisten länderkoordinierten Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung des ÖGD.

Doch wie genau die Fachsoftware modernisiert wird, ist Ländersache und unterscheidet sich voneinander. Einige setzen auf Open-Source-Lösungen, die zu einer sehr hohen Transparenz im zugrundeliegenden Programmcode und einem höheren Sicherheitsniveau führen. Andere entscheiden sich, die existierende Softwarelandschaft zu modernisieren. Und manche richten sich komplett neu aus. Alle drei Herangehensweisen bringen Vor- und Nachteile mit sich und hängen von der politischen Zielsetzung des jeweiligen Bundeslands und dem individuellen Prozess-Fokus ab.

Neben den festgelegten Zielen des Bundes im Förderprogramm Pakt ÖGD steht eine erste Zielarchitektur auf Bundesebene zur Verfügung, welche die Themen Interoperabilität, Standardisierung und die Verwendung einzelner einheitlicher Anwendungen vorgibt.

So ist zum Beispiel die digitale Meldung von Infektionsmeldungen über DEMIS (Deutsches Elektronischen Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz) mittlerweile bundesweit Standard und hat sich in der späteren Phase der Pandemie als sehr zielführend herausgestellt. Offen bleibt aber die konsistente Vernetzung mit datenliefernden Partnern wie Krankenhäusern, die oftmals zwar über die benötigte Daten-Infrastruktur verfügen, jedoch die elektronische Meldung noch nicht flächendeckend implementiert haben.

Die aktuellen Maßnahmen sind grundsätzlich geeignet, um den digitalen Reifegrad des öffentlichen Gesundheitsdiensts auf ein neues Niveau zu heben. Es bleibt dennoch eine Herausforderung, den digitalen Wandel zu vollziehen: Schließlich kommt es nicht nur auf die gewählten Technologien, sondern vor allem auf die Veränderung in den Köpfen an, denn gut geschultes Personal und smarte Prozesse sollten unbedingt mitgedacht werden.

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Unser Experte: Dr. Olaf Michael Müller (olaf.mueller@moysies.de)